Warum Dozenten in Seminaren nicht bloß das “Schreiben fürs Netz” lehren sollten, sondern besser das “Denken fürs Netz”, hat Matthias Spielkamp in seinem Blog-Beitrag bereits angerissen: Das Internet bietet für journalistische Geschichten viel mehr Darstellungsformen als dies Print-Produkte tun.
Und deshalb sollte der erste Gedanke eines Online-Journalisten nicht sein: Wie schreibe ich die Geschichte? Sondern: Schreibe ich die Geschichte?
Oder erzähle ich sie als Video? Als Podcast? Als Audio-Slide-Show? Oder gar als interaktive Grafik?
Komplexere Geschichten können wir auch als multimediales Dossier konzeptionieren, in dem einzelne Aspekte der Story in verschiedenen Darstellungsformen zur Geltung kommen. Ein grandioses und sehr frühes Beispiel dafür ist das Dossier über den Fall des verurteilten Mörders Lebrew Jones.
Natürlich hat Text auch online weiter seine Berechtigung – und Vorteile: Überschriften und Vorspänne dienen als Teaser und machen so überhaupt erst Lust darauf, sich ein Video anzuschauen oder sich mit einer interaktiven Grafik zu beschäftigen. Und, ganz wesentlich: Ein Text lässt sich schnell nach Schlüsselbegriffen scannen. Bei einem Video, einem Audio-Beitrag oder einer Audioslide-Show ist das aus offensichtlichen Gründen nicht möglich.
Deshalb ist und bleibt die Frage berechtigt: Was macht einen guten Online-Text aus? Wie schreibe ich am besten fürs Netz? Was muss ich dabei berücksichtigen?
Darüber sollten wir allerdings nicht vergessen, dass zum “Schreiben fürs Netz” auch immer die Frage gehört: Wie präsentiere ich meine Geschichte im Netz am vorteilhaftesten? Dass zum “Schreiben fürs Netz” auch immer das “Denken fürs Netz” gehört.
Für dieses Schreiben und Gestalten online habe ich zehn Tipps aufgeschrieben:
Denken und Schreiben fürs Netz: zehn Gebote für angehende Online-Redakteure
1. Denken Sie an Ihre Leser: Nutzer wollen Informationen oder Unterhaltung, sie wollen sie schnell, viele klicken sich fort, wenn eine Webseite länger als 8 Sekunden zum Laden braucht. Gestalten Sie Ihre Webseiten einfach und die Menüführung logisch.
2. Fesseln Sie die Aufmerksamkeit der Nutzer sofort. Bringen Sie Schlüsselbegriffe [Keywords] und die wesentlichen Informationen bereits im ersten Drittel der Webseite – in Überschrift, Teaser und Textanfang.
3. Denken Sie journalistisch: Wollen Sie die Nutzer in erster Linie informieren, schreiben Sie nachrichtliche, sachliche und in sich geschlossene Überschriften und Teaser. Wollen Sie die Nutzer in erster Linie unterhalten, schreiben Sie offene Überschriften und Teaser, die neugierig machen [Cliffhanger].
4. Schreiben Sie inhaltlich und sprachlich [siehe 5.] gute Texte: Suchmaschinenoptimierung bringt Ihnen zwar Nutzer auf Ihre Webseiten. Gute Inhalte lassen die Nutzer aber immer wieder zurückkommen.
5. Denken Sie an Übersichtlichkeit: Schreiben Sie unverschachtelte und kurze Sätze. Studien zeigen, dass Nutzer das Lesen nach mehr als 150 Buchstaben pro Satz als anstrengend empfinden. Verzichten Sie auf komplizierte Wörter: Viele Fachbegriffe und Fremdwörter in einem Satz stören den Lesefluss. In beiden Fällen klicken sich Nutzer vermehrt aus dem Webangebot. Fügen Sie Zwischenüberschriften und kurze Absätze ein: pro Absatz ein Gedanke und zwei bis drei Sätze.
6. Denken Sie an Google: Schreiben Sie zur Suchmaschinenoptimierung [SEO] die Schlüsselbegriffe aus dem Fließtext [siehe 2.] auch in den Browsertitel und in die URL. Z.B.:
7. Denken Sie crossmedial: Wie können Sie Themen am besten für Ihre Webseiten aufbereiten? Muss ein Interview unbedingt als Text erscheinen? Oder können Sie dafür besser ein Audio-File einbauen? Bringen Sie eine Reisereportage besser als Audioslide-Show oder als Video?
8. Denken Sie an die Hyperlinks: Sie sind die Lebensandern des Internets und Ihrer Webseiten. Ein in sich gut verlinktes Webseitenangebot macht auch für Google und andere Suchmaschinen [siehe 6.] einen stimmigen Eindruck. Beachten Sie für die Leser: Das verlinkte Wort muss eindeutig klären, was die Leser nach dem Klick erwartet.
9. Denken Sie sozial: Nutzer finden Ihre Webseiten nicht nur, weil sie als Suchergebnis bei Google erscheinen. Nutzer kommen auch zu Ihnen, weil Freunde aus sozialen Netzwerken Ihre Webseiten empfohlen haben. Binden Sie diese Netzwerke auf Ihren Webseiten ein. Seien Sie auf Twitter und Facebook präsent – aber nur wenn Sie dort auch regelmäßig Rede und Antwort stehen können und wollen.
10. Denken Sie an sich selbst: Das Internet ist keine Hürde. Das Internet bietet viele Möglichkeiten. Journalistische Konzepte fürs Internet zu erstellen macht Spaß (auch wenn viele Verlage dafür kaum Geld zur Verfügung stellen).
(Foto: San Diego Air and Space Museum Archive)